Nur Mut! AUGEN ZU UND DURCH, EINFACH MACHEN. Leichter gesagt als getan, findet KOPFSACHE-Autorin Ina Volkmer. Doch am Ende lohnt es sich, Mut zu beweisen und den Schritt ins Ungewisse zu gehen D er erste Sprung vom Dreimeterbrett ist wahn- sinnig aufregend. Schritt für Schritt wagen wir uns nach vorne, zögern immer wieder, halten uns am eiskalten Metallgeländer fest. Der Boden ist nass und schwankt. Auf unserem Körper prickelt eine leichte Gänsehaut, das Herz klopft. „Los jetzt“, ruft der Bademeister vom Beckenrand. „Jetzt mach endlich“, nör- gelt der Drängler hinter uns, während in unserem Kopf Angst, Verstand und Mut einen wilden Kampf ausfechten: „Spring nicht“, sagt die Angst. „Ach, da kann überhaupt nichts passieren“, sagt der Verstand. „Los, trau dich. Einfach machen!“, ruft der Mut. Mut und Verstand können die Angst vor der Tiefe überwinden Drei Meter freier Fall, der Aufprall auf der Wasseroberfläche, einige Sekunden unter Wasser. Keine Luft, wildes Stram- peln, los, ab nach oben. Und dann ist er da, der Moment, den unser Mut laut- stark bejubelt: Ich hab's geschafft. Mut und Verstand haben die Angst über- wunden. Augen zu und durch, einfach machen. Ein Gefühl, das einen vor Stolz wie auf Wolken schweben lässt. Die Angst vor dem Sprung ins kalte Wasser erleben wir nahezu jeden Tag. Immer wieder werden wir mit Situa- tionen konfrontiert, die uns neu sind, die wir noch nicht einschätzen können. Augenblicke, die uns unangenehm sind, weil sie einen mutigen ersten Schritt von uns erfordern. Sei es, einem Menschen unsere Liebe zu gestehen, einen Freund um Verzeihung zu bitten oder den Chef nach einer Gehaltser- höhung zu fragen. Aber auch, wenn es ums Helfen geht. Wie oft haben wir schon still und untätig dagestanden, wenn jemand in der Patsche gesteckt hat? Der Kollege, der zu Unrecht niedergemacht wird. Der Außenseiter, der von allen gemobbt wird. Der Sportverein, der dringend eh- renamtliche Helfer sucht, aber nieman- den findet, der die C-Jugend trainiert. Warum hören wir nicht auf unsere innere Stimme? Dabei hören wir sie alle, diese kleine, clevere Stimme in unserem Kopf, die immer wieder flüstert: „Los, jetzt sag doch was. Setz dich ein, hier geschieht ein Unrecht. Los, wage den Sprung ins kalte Wasser und trau dich. Hilf end- lich.“ Doch wir bleiben stumm. Wir erheben unsere Stimme nicht. Uns AUSGABE 04 | APRIL 2019 7