Rolf Gehrcke, der 1954, also 16 Jahre später, selbst als Spieler bei einer Meisterschaft dabei sein durfte, kennt dieses Gefühl. Diesen unglaublichen Moment, in dem man als absoluter Außenseiter auf einen haushoch überlegenen Gegner trifft. „Der 1. FC Kaiserslau- tern hatte mehrere Nationalspieler in seinen Reihen, unter ande- rem Fritz Walter, einen der herausragendsten Spieler jener Tage.“ Hannover hatte hingegen erst einmal nur eines: Verletzungssor- gen. Doch glücklicherweise war das Team von Trainer Helmut „Fiffi“ Kronsbein am Final-Tag viel zu aufgeregt, um sich über die Favori- tenrolle des Gegners zu sorgen. „Wir sind mit einer Polizei-Eskorte quer durch Hamburg zum Volksparkstadion gefahren worden. Das ging so schnell, dass wir gar keine Zeit hatten, über das bevorste- hende Spiel nachzudenken.“ Im Stadion ging es für ihn und seine Mannschaftskollegen direkt in die Kabine und kurze Zeit später im Laufschritt auf den Platz zur alles entscheidenden Partie im Kampf um die Deutsche Meisterschaft. Wie erwartet konnte Lautern früh in Führung gehen. „Aber das war noch lange kein Grund aufzugeben“, erinnert sich Gehrcke. Eine gute Einstellung, denn Hannes Tkotz konnte noch vor dem Halb- zeitpfiff zum 1:1 ausgleichen. Jubel bei den Roten, an diesem Tag schien alles möglich zu sein. Mit Wiederanpfiff strotzten die 96er vor Siegeswillen und starteten mit Herzblut in den zweiten Durch- gang. „Nach der Pause haben wir ziemlich schnell gemerkt, dass wir nicht nur konditionell besser sind, sondern auch das bessere Team waren“, erzählt Gehrcke. „Kameradschaft ist schon damals unsere größte Stärke gewesen!“ Eine Stärke, die sich auszahlen sollte. Mit freundlicher Unterstützung von Lauterns Nationalspieler Kohlmeyer (47., Eigentor) und den Treffern von Heinz Wewetzer, Helmut Kruhl und Rolf Paetz schoss sich Hannover 96 mit einem glorreichen 5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern zum zweiten Mal zum Deutschen Fuß- ballmeister – ein unvergesslicher Augenblick für Kronsbeins Elf und die 20.000 mitgereisten 96-Fans. „Das war einfach großartig!“, erzählt Rolf Gehrcke und erinnert sich an den unglaublichen Jubel nach Abpfiff zurück. „Alle lagen sich vor Freude in den Armen, müde, aber überglücklich.“ Eine starke Mannschaftsleistung und der besondere Teamgeist wurden am 23. Mai 1954 mit der Meisterschale belohnt. Nach der Ehrung im Stadion wurde selbstverständlich ordentlich gefeiert. Abends bei einem festlichen Bankett in Hamburg, am nächsten Tag im Salonwagen nach Hannover. „Der Weg nach Hause war wahnsinnig aufregend“, so Gehrcke. „In den Bahnhöfen auf dem Weg nach Hannover war alles voller Menschen, die auf unsere Durchfahrt gewartet haben, um uns zu bejubeln und zu gratulieren. Das war einfach großartig. Aber als wir dann in die Stadt kamen, waren wir völlig überwältigt. Da war wirklich der Teufel los!“ Rund 100.000 Fans erwarteten die Mannschaft, Hannover stand Kopf. Mit Kutschen ging es für Kronsbeins Elf durch die Innenstadt, vorbei an einem Menschenmeer aus 96-Anhängern. „Sie waren überall. Sogar auf den Straßenbahnen, nur um uns zu sehen. Das war wirklich etwas ganz Besonderes.“ Ein einzigartiger Liebesbe- weis der zahlreichen Fans und ein denkwürdiger Moment in der Geschichte von Hannover 96, der wohl für immer einen Platz in unseren Herzen haben wird. 5 DEUTSCHE MEISTERSCHAFT 1938 UND 1954 96-Kapitän Werner Müller und Fritz Walter vom 1. FCK tauschen vor dem Endspiel 1954 die Wimpel. 120 JAHRE VEREINSGESCHICHTE