NIEMALSALLEIN

Hannover.

 

„Knochen“, das war mal sein Spitzname, weil er kaum Fleisch auf den Rippen hatte: Jan Schlaudraff. „Knochen“ hat ordentlich auf die Knochen bekommen zuletzt beim Fußball-Bundesligisten Hannover 96. Insgeheim hat mancher sich gefragt, ob er das wohl aushält oder ob er als einstiger Nationalspieler zerbricht an der Verbannung in die 96-Reserve und in die 4. Liga. Das ist aber nicht passiert. Im Gegenteil. Schlaudraff ist am heutigen Sonnabend, wenn es in der AWD-Arena um 15.30 Uhr ins so wichtige Heimspiel gegen den 1. FC Köln geht, zurück im Kader der Profis.

Wenn nicht gar zurück in der Startelf. Wobei nicht verschwiegen werden darf, dass dieses mögliche Comeback auch durch die Ausfälle von Elson und Arouna Koné begünstigt wird. In den vergangenen vier Wochen hat Jan Schlaudraff mental die Unverwüstlichkeit bewiesen, zu der seine Physis bisher noch nie in der Lage war. Das entschuldigt nichts von dem, was zum Frondienst in der Regionalliga geführt hat. Aber es verdient zumindest dies: Respekt. Und Respekt zu verdienen, das ist viel für einen, der nach den Maßstäben der Zuschauer im Stadion so viel verdient, dass er mit dem Geldausgeben kaum hinterherkommt. Für ein Festgehalt von 125?000 Euro im Monat soll da ein einstiger Nationalspieler in der 4. Liga kicken. Und dank des Zeitungsboulevards ist diese im Flurfunk seit Längerem zirkulierende Zahl nun unters Volk gebracht. Klar, wenn nichts mehr geht, geht die Neidnummer. Schlaudraff als Opfer einer Kampagne zu hätscheln, wäre freilich verkehrt. Trainer Mirko Slomka hatte sich in der Woche vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg früh festgelegt und Schlaudraff „einen Freifahrtschein“ in die Startaufstellung ausgestellt – um ihn schließlich am Morgen vor dem Spiel wegen „leidenschaftslosen Trainings“ nicht nur auf die Bank zu setzen, sondern gleich ganz aus dem Kader zu streichen.

Das ist die Höchststrafe. Viermal war der 26-Jährige danach nicht im Profiaufgebot. Ganz unerwartet hat ihn das nicht getroffen. In seiner Zeit in Aachen, als plötzlich mindestens vier Topklubs an seiner Verpflichtung interessiert waren, hatte die Alemannia ihm schon einmal eine Zwangspause verordnet. Er meldete sich mit einem „Tor des Monats“ gegen Werder Bremen zurück. Und als kurz vor Saisonschluss im Sommer 2007 längst feststand, dass Schlaudraff nach München wechseln würde, wurde er wegen Arroganz und Faulheit abermals als untauglich im Abstiegskampf ausgemustert. Aachener Sportdirektor damals: Jörg Schmadtke – heute 96-Manager. Und als der winters beim quasi öffentlichen Kabinenwutanfall Verbannungen androhte, schätzte Schlaudraff treffend ein: „Der redet nicht nur, der macht das dann auch.“

Schlaudraff mag es an der Moral gefehlt haben, im Training und in den Spielen seinem Potenzial entsprechend voran zu marschieren. Aber er war intelligent genug zu schweigen – trotz zahlreicher und nicht durchweg freundlich formulierter Gesprächsanfragen. Erst vor zwei Tagen wählte er gezielt Journalisten aus, darunter von dieser Zeitung, um sich zu erklären: kritisch mit sich selbst, kritisch aber auch gegenüber Klub und Slomka. Der Coach könnte dabei auf die Wiederholung dessen spekulieren, was schon einmal bei Leon Andreasen funktioniert hat. Erst über den grünen Klee loben, dann „zusammenfalten“, um eine trotzige Leistungsexplosion auf dem Platz zu provozieren. Andreasen ließ sich so gegen Eintracht Frankfurt locken.

Schlaudraff gegen Köln? Er weiß, dass er jetzt etwas zeigen muss. Vielleicht in der Art wie gegen den VfL Bochum, als ihm zwei Treffer gelangen. Er ist intelligent genug zu wissen, dass er andernfalls im deutschen Profifußball fast so schwer vermittelbar wird wie Trainer Peter Neururer. Und was für ein rares Talent damit unwiederbringlich verschwendet wäre ?

 

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