NIEMALSALLEIN

Wenn am Ende der Saison die Fernsehsender wie jedes Jahr die Zusammenschnitte der schönsten Szenen der Fußball-Bundesligasaison präsentieren werden, wird das 1:0 von Hannover 96 gegen den VfB Stuttgart dabei sein.

 

Es war ein Spiel mit viel Kampf und viel Krampf, sportlich wird es im Rückblick mit großer Sicherheit nicht einmal für eine Fußnote reichen, vielleicht wird später ein Mustervideo für Fehlpässe, Grätschen und Schauspieleinlagen daraus.
In der Anekdoten-Rubrik aber wird die eine kuriose Szene in der Schlussphase einen Spitzenplatz bekommen. Und zwar diese kleine Randgeschichte in der 81. Minute, als ein hannoverscher Balljunge sich den Zorn des Stuttgarter Torwarts Jens Lehmann zuzog, weil er an der Außenlinie die Kugel nach Geschmack des ehemaligen Nationaltorhüters erst nicht schnell genug herausrückte und den Ball dann, als Lehmann auf ihn zulief, um ihn zu holen, über dessen Kopf warf.
Dass es diese kleine, in keiner Weise spielbeeinflussende Geschichte für kurze Zeit sogar schaffte, das Schicksal von Stuttgarts Trainer Markus Babbel (er bekommt morgen im Pokalspiel in Fürth eine neue, dann wohl letzte Chance) aus den Schlagzeilen zu verdrängen, sagt viel aus über die Qualität des Spiels. In der 2. Halbzeit war es irgendwo zwischen Fußball und Rugby angesiedelt; eine vogelwilde Partie, die ein bisschen was von einem emotionalen Dorfderby hatte, garniert mit den Versuchen, Zeit und Freistöße zu schinden, dass jede italienische Mannschaft darauf stolz gewesen wäre.
Dass sich die Mehrheit der knapp 35.000 Zuschauer in der AWD-Arena dennoch gut unterhalten fühlte, ist kein Widerspruch. Nicht immer funkelt Fußball, nicht immer bestehen die 90 Minuten aus Tempo und Klasse und Kombinationen. Außerdem war diese Begegnung spannend bis zur letzten Sekunde, und sie bot jede Menge Aufreger, Diskussionsstoff und kuriose Szenen.
Zum Beispiel das Siegtor von Hannover 96, das keines hätte sein dürfen, weil der Torschütze Didier Ya Konan im Abseits stand. Der Treffer war in der müden 1. Halbzeit der einzige Höhepunkt. 96 hatte bis zu dieser 30. Minute wie eine Mannschaft im Wachkoma gespielt, die Stuttgarter passten sich den Ball weitgehend ungestört bis zum Strafraum zu, dann rutschte in der Regel einer aus (Aliaksandr Hleb) oder spielte einen Fehlpass (Hleb und alle anderen).
Mit dem Treffer war 96 wach, und als die Schwaben in der 2. Halbzeit ideenlos anrannten, warfen sich die "Roten" in die Bälle, kämpften leidenschaftlich um jeden Zentimeter Rasen und verdienten sich ein Teil des Glücks, das sie vor allem bei zwei Pfostenschüssen (Elson, 59. Minute; Hitzlsperger, 72.) brauchten.
Die Hannoveraner vergaßen dabei das Kontern, sie vergaßen überhaupt das Fußballspielen. Als nach dem Abpfiff die offizielle Spielstatistik herumgereicht wurde, stand da in der Rubrik "Schüsse aufs Tor" bei 96 die Zahl 1. Dieser eine Schuss war das Tor, das eigentlich keines war.
Es gab ein Handgerangel zwischen Ya Konan und Serdar Tasci (72.), eine Slapstick-Einlage von 96-Regisseur Arnold Bruggink, der nach einem Zweikampf in den Schlussminuten liegen blieb und Foul reklamierte, von einer Sekunde auf die andere aber wieder aufsprang, als er erkannte, dass der schwache Schiedsrichter Guido Winkmann die Begegnung nicht unterbrechen wollte. Stuttgarts Lehmann sprach später von einer "Kultur des Zeitschindens".
Er hatte damit nicht ganz unrecht. Umgekehrt zog 96 alle Register einer cleveren Mannschaft, die einen Vorsprung versucht, erfolgreich über die Runden zu retten. Das ist nicht verboten, auch Stuttgart hat Spiele auf diese Art und Weise schon gewonnen. Sieht man es positiv, haben die "Roten" in dieser 2. Halbzeit ein Stück der Naivität abgelegt, die die Mannschaft in den vergangenen Jahren immer wieder um Punkte gebracht hatte. Diesmal gab es drei Punkte. Und die waren nach der bis dahin spärlichen Ausbeute wichtig.

 

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