NIEMALSALLEIN

Wo fängt man an, die Trauer einzufangen, die eine Stadt lähmt? Die ein Stadion füllt, auch wenn es nicht voll besetzt ist.

 

35.000 sind an diesem Volkstrauertag in die Arena gekommen, um sich von Robert Enke zu verabschieden. Die Sonne scheint, der erste Blick richtet sich auf Teresa Enke, die Frau, die die Fußballwelt verändern könnte – mit ihrem tapferen Auftreten und mutigen Bekenntnis zur Depression ihres Mannes.

Sie sitzt eingerahmt zwischen Jörg Neblung, dem Beraterfreund, und Marco Villa, dem Freund aus Gladbacher Zeiten. Am Spielfeldrand auf einem Podium. Im Mittelpunkt des Platzes steht der schlichte Holzsarg. Ein Herz aus Rosen liegt davor. Per Mertesacker und Michael Ballack legen einen Kranz dazu, in Zweierreihen folgen alle Nationalspieler. Am Ende das Trio mit Bundestrainer Joachim Löw, Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff.

Die Fans sind dankbar, klatschen. "Ich fand den Beifall gut", wird 96-Chef Martin Kind später sagen, "in südlichen Ländern ist das ja üblich." Im Süden wollten die Enkes später mal leben, sie haben ein Haus in Lissabon gebaut. Benfica-Torwart José Moreira ist da, aus Barcelona ist Xavi nach Hannover gekommen, der spanische Europameister. Sie sind Teil einer bewegenden Feier, die nie kitschig wird.

Das Streichquartett der Musikhochschule spielt, die Schülerin Alina Schmidt singt eindrucksvoll "96, alte Liebe". Zärtlich-zurückhaltend mit sparsamer Gitarrenbegleitung.

Nach Pfarrer Heinrich Plochg spricht der 96-Chef. "Ich habe versucht, mich zu kontrollieren", berichtet Martin Kind später über sein schweres Amt. Dennoch gebricht ihm die Stimme. Der 65-Jährige redet erst über Robert Enke, dann spricht er ihn an. "Robert, DU warst unsere Nummer eins im echten Sinne des Wortes."

Dann kommt Theo Zwanziger, und auch er trifft den richtigen Ton. "Ich danke euch, dass ihr da seid", ruft er ins Stadion. Er lobt die "Spontaneität der Stadt", die Fans. "Fußball darf nicht alles sein", warnt Zwanziger. Und an die Eltern gerichtet, die von der Profikarriere ihrer Kinder träumen: "Denkt nicht nur an den schönen Schein, sondern auch an das, was im Menschen ist an Schwächen und Zweifel."

Zwanziger wählt kräftige Worte. "Wir müssen das Kartell der Tabuisierer und Verschweiger brechen." Nur zur Erinnerung: Der da spricht wie ein Revoluzzer, das ist der DFB-Präsident. Zwanziger klingt dennoch glaubhaft in seinem Anliegen, die Tabus psychische Krankheit und Homosexualität im Fußball zu brechen.

Fünf Minuten waren für jeden Redner vorgesehen, dass sich die Politiker nicht daran halten, ist diesmal nicht schlimm. Christian Wulff ist "mit den Gedanken auch beim Zugführer", die letzten Worte gehen im Beifall unter. Niedersachsens Ministerpräsident verlangt, "Sportler nicht als Übermenschen" zu sehen. "Wir brauchen keine fehlerfreien Roboter." Stephan Weil beschreibt die Stimmung in der Stadt. "Es ist still in Hannover", aber: "Es ist auch sehr warm, die Menschen der Stadt sind eng zusammengerückt."

Hannovers OB gesteht auch Schwächen ein. "Wir haben alle Angst und Furcht, die einen können gut damit umgehen, die anderen werden davon erdrückt", sagt Weil. "Es wäre gut, wenn sein Tod anderen Menschen helfen könnte, lieber ihre Angst zu zeigen, als sie zu verstecken."

Pfarrer Plochg hat vor der Trauerfeier in der 96-Kabine gespürt, "es fehlt euch ein Freund". Vor Robert Enkes Schrank steht ein Bild von ihm, eine Kerze brennt.

Jetzt bittet der Pfarrer die 96-Spieler: "Begleitet euren Kapitän zum letzten Mal aus seinem Stadion." Altin Lala, Steven Cherundolo, Jiri Stajner, Hanno Balitsch, Arnold Bruggink und Teambetreuer Thomas Westphal übernehmen die schwere Aufgabe. Dazu erklingt das Lied "The Rose". "Die Seele, die den Tod fürchtet, kann nie zu leben lernen", singt LeAnn Rimes. Hannover weint dazu.

Zweieinhalb Stunden später wird Robert Enke in Empede zu Grabe getragen. Dabei regnet es, für Kind ist klar, jetzt weint auch der Himmel.

 

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