Sportlich wie menschlich eine herausragende Persönlichkeit
Ausverkauftes Haus. Nordduell gegen den Hamburger SV. 49.000 Fans in der damaligen AWD Arena jubelten von den Rängen – auch und besonders für ihn: Robert Enke, Torwart und Kapitän von Hannover 96 – unumstrittener Rückhalt seiner Mannschaft. Nationalspieler im Trikot der deutschen Elf. Sportlich wie menschlich eine herausragende Persönlichkeit. Eine absolute Identifikationsfigur. Zweimal konnte er nicht parieren an diesem Sonntagnachmittag. Am Schluss konnte 96 zufrieden sein mit einem 2:2-Unentschieden gegen den Champions-League-Anwärter aus der Hansestadt. Es war der 8. November 2009.
"Wollte nicht, dass andere wissen, wie es ihm geht"
Bis heute fällt es schwer, zu begreifen, dass Enke zwei Tage darauf nicht mehr am Leben sein sollte. Enke litt unter einer schweren Depression. Sie trieb ihn in den Tod. Er wurde 32 Jahre alt. Niemand hatte etwas geahnt. Nur ein ganz kleiner, enger Kreis war eingeweiht. "Er wollte nicht, dass andere wissen, wie es ihm geht", sagte Robert Enkes Witwe Teresa einmal. Sie war es, die öffentlich machte, weshalb ihr Ehemann sich das Leben nahm. Einen Tag, nachdem es geschah und die schreckliche Nachricht sich anschließend wie ein Lauffeuer in der Stadt, im Land und in der ganzen Fußballwelt verbreitet hatte, sprach sie darüber im Rahmen einer Pressekonferenz. Zuvor war penibel darauf geachtet worden, dass nichts nach außen drang. "Weil es sein ausdrücklicher Wunsch war", sagte Teresa Enke. "Aus Angst, seinen Sport und sein Privatleben und alles zu verlieren."
Eine Depression war damals ein Tabuthema. Erst recht bei Leistungssportlern. Die sollten doch funktionieren. Für solche "Schwächen" gab es keinen Platz. Aber die Depression ist keine "Schwäche". Sie ist eine Krankheit. Man kann damit umgehen. Man kann sie behandeln. Und an die Öffentlichkeit treten?
Herausragender Einsatz der Robert-Enke-Stiftung
Ohne Frage ist es in großem Maße dem herausragenden Einsatz von Teresa Enke zu verdanken, dass sich die Wahrnehmung und die Akzeptanz mentaler Erkrankungen deutlich gewandelt haben. Als Vorsitzende der von Hannover 96, der Deutschen Fußball Liga und dem Deutschen Fußball-Bund gegründeten Robert-Enke-Stiftung leistet sie mit ihren Mitarbeitenden unermüdlich wichtige Aufklärung und ruft Projekte ins Leben, um Betroffenen schnelle und unkomplizierte Hilfe zu ermöglichen.
"Etwas hat sich getan"
Vor allem bringt die Robert-Enke-Stiftung das einstige Tabuthema kontinuierlich in den öffentlichen Diskurs. "15 Jahre später lässt sich sagen: Etwas hat sich getan", erklärte Teresa Enke im August bei der Gala zu den von der Stiftung vergebenen Mental Health Awareness Awards. 15 Jahre stete Arbeit tragen Früchte. Quantitativ sind Erfolge nur schwer messbar. Aber die Tendenz, so heißt es auch vonseiten der Stiftung, ist klar: Eine zunehmende Anzahl Betroffener – auch aus dem Leistungssport – ist bereit, sich im ersten Schritt aktiv Hilfe zu suchen und im zweiten auch wesentlich offener damit umzugehen. Ein normalerer Umgang mit dieser Krankheit ist erreicht worden.
Einfluss der sozialen Medien
Die Situation hat sich gebessert und dennoch ist noch vieles zu tun. Und viele dafür relevante Gesichtspunkte sind keine exklusiven Fragestellungen des Leistungssports. Ein Aspekt hat sich über die zurückliegenden 15 Jahre erst entwickelt: die sozialen Medien und die zunehmende Verrohung dort. Belastend für die Psyche – besonders für Kinder und Jugendliche. Im Kern geht es letztlich um die Frage: Wie wollen wir als Gesellschaft miteinander umgehen und zusammenleben?
Wenn wir uns heute also an Robert Enke erinnern, so erinnern wir uns mittlerweile an eine andere Zeit. Wir können sagen: Der Umgang mit psychischen Krankheiten hat sich verändert – aber es gibt auch neue Herausforderungen.
Aufeinander achtgeben
So bleibt die Erinnerung an Robert Enke in vielerlei Hinsicht wichtig. Wertschätzend mit Blick auf seine Menschlichkeit und seinen Charakter. Mit Stolz erfüllt im Gedanken an seine außergewöhnlichen Paraden. Schmerzhaft im Kontext der Tragödie seines Todes, die mit einem Auftrag an uns alle verbunden ist: einen offenen und natürlichen Umgang mit der Krankheit Depression zu pflegen und aufeinander achtzugeben.
Der NDR hat einen hörenswerten Podcast veröffentlicht, in dem es um Robert Enke, seinen Tod und einen Blick in die Gegenwart in Bezug auf psychische Krankheiten geht. Hier könnt Ihr Euch die Serie anhören.
hec