Du bist vor einem Jahr zu den Profis gekommen, hast nun schon einige Einsätze auf dem Buckel und bist Testspiel-Top-Torjäger. Fühlst Du Dich, als ob Du in Deinem eigenen Film wärst?
Nicolo Tresoldi (18): Manchmal fühlt es sich tatsächlich so an. In der Rückrunde durfte ich ja schon regelmäßig bei den Profis mittrainieren, am Anfang der Saison habe ich dann meine ersten Einsätze in der 2. Bundesliga gehabt, durfte in Magdeburg mein Startelfdebüt geben und habe kurz darauf an meinem 18. Geburtstag meinen Profivertrag unterschrieben. Das hätte ich so kurz nacheinander nicht erwartet. Es macht aber einen Riesenspaß, weil es genau das war, wovon ich immer geträumt hatte, seit ich ein kleiner Junge war.
Wie kommt man damit klar, nicht mehr vor 100 oder 200, sondern plötzlich vor bis zu 49.000 Zuschauern zu spielen?
Tresoldi: Mein Vater war ja auch Fußballprofi, unter anderem bei Atalanta Bergamo. Er hat mir damals schon erzählt, wie es ist, vor so vielen Menschen zu spielen. Besonders zu Hause macht es immer viel Spaß, wenn einen das ganze große Stadion anfeuert. Aber auch die Auswärtsspiele mag ich. Auch wenn viele der Fans gegen uns sind, pusht genau das auch.
Also ist es bei Auswärtsspielen dann auch motivierend, wenn die Stimmung gegen einen ist?
Tresoldi: Auf jeden Fall! Und wir haben ja auch oft auswärts gewonnen, dann macht es noch mehr Spaß (lacht).
Wie häufig wirst Du denn erkannt, wenn Du in der Stadt unterwegs bist? Du bist ja oft mit Bus und Bahn unterwegs …
Tresoldi: Bisher haben die Masken noch mit dafür gesorgt, unerkannt zu bleiben (lacht). Manchmal wird man dann aber doch erkannt und nach einem Foto gefragt. Aber das ist natürlich vollkommen in Ordnung.
Du hast ja auch ordentlich auf Dich aufmerksam gemacht. In den Testspielen bist Du der 96-Top-Torschütze, in der Liga hat es allerdings noch nicht geklappt …
Tresoldi: Als Stürmer möchte man natürlich immer gerne Tore erzielen. Aber ich bin noch jung, ich habe noch Zeit, möchte mich Schritt für Schritt weiterentwickeln und verbessern. Und bin mir sicher, dass dann auch die Tore in der Liga bald kommen werden.
In der zweiten Hälfte der Hinrunde hast Du etwas weniger Spielzeit bekommen als zu Beginn. Wie bist Du damit umgegangen?
Tresoldi: Ich denke, auch das gehört bei meiner Entwicklung einfach dazu. Ich weiß ja, dass die Umstellung von der U19 zu den Profis ein Prozess ist.
Hast Du darüber mit dem Trainer gesprochen?
Tresoldi: Wir haben immer einen engen Draht. Nach dem Training besprechen wir meine Situation oft. Der Trainer hat mir erklärt, dass die Tore kommen werden und ich mir deshalb keine Gedanken machen soll. Für uns alle steht der mannschaftliche Erfolg im Vordergrund. Auch mein Vater gibt mir immer wieder gute Ratschläge mit. Dafür bin ich sehr dankbar.
Dein Vater war selbst Fußballprofi – allerdings Linksverteidiger, Du bist Stürmer. Wolltest Du ihm nicht in der Defensive nacheifern?
Tresoldi: Ich wollte schon immer Tore schießen. Das Verteidigen habe ich früher lieber anderen überlassen (lacht). Das hat sich mittlerweile geändert. Für uns ist es in jedem Spiel wichtig, dass die Stürmer mit zurückarbeiten. Für mich als Angreifer gehört also auch die Defensivarbeit mit dazu.
Was nimmst Du Dir toretechnisch für die Rückrunde vor?
Tresoldi: Erst einmal möchte ich mein erstes Tor in der Liga schießen – dann sehen wir weiter.
Was war die größte Veränderung für Dich, als Du den Sprung aus der 96-Akademie zu den Profis geschafft hast?
Tresoldi: Der Übergang war ja tatsächlich sehr fließend, da ich schon in der letzten Saison immer wieder mit den Profis mittrainiert habe. Eine große Veränderung war natürlich das Alter meiner Mitspieler. Du kommst in die Kabine und um dich herum sind erwachsene Männer und nicht mehr die Jungs, mit denen du zusammen in die Schule gegangen bist. Die Gesprächsthemen sind teilweise andere. Und auf dem Platz geht es natürlich noch körperlicher zu, das Spiel ist noch schneller. Das war eine Umgewöhnung.
Würdest Du sagen, Du bist aus dieser Umgewöhnungsphase heraus?
Tresoldi: Ich denke schon, ich fühle mich als vollwertiger Teil der Mannschaft. Ich habe das Glück, durch meine lange Zeit in den U-Mannschaften bei 96 sehr gut in das gesamte Umfeld integriert zu sein. Das hat mir dann sicherlich auch den Weg zu den Profis erleichtert. Hannover 96 ist mir sehr ans Herz gewachsen. Gerade in der Phase vom Jugend- in den Herrenbereich haben mir alle im Klub viel geholfen.
Wie, würdest Du sagen, bist Du in der 96-Akademie auf den Profifußball vorbereitet worden?
Tresoldi: Die Möglichkeiten in unserer 96-Akademie sind hervorragend! Du hast wirklich alles, was du als junger Fußballer brauchst, um dich bestmöglich zu entwickeln. Auch die ruhige Lage in der Eilenriede finde ich sehr gut. Das hilft einfach, um sich voll auf den Sport zu konzentrieren.
Alle Jungs in der Akademie haben Deinen Weg natürlich genau verfolgt und wollen Dir nacheifern. Gibt es etwas, das Du den jungen Spielern dort aus Deiner Erfahrung weitergeben kannst?
Tresoldi: Ich gebe meine Erfahrungen gerne weiter und gebe Tipps, wie die Jungs zum Beispiel mit Nervosität oder ähnlichem umgehen können. Ich sage ihnen auch oft, dass sie ruhig bleiben sollen, wenn etwas mal nicht nach Plan läuft. Dann geht es darum, einfach immer weiter hart zu arbeiten und am Ball zu bleiben. Und irgendwann kommt dann der Moment, in dem sich eine Chance auftut.
Blicken wir noch einmal etwas weiter zurück: Du bist im Alter von 13 Jahren mit Deinen Eltern nach Hannover gekommen. Wie hast Du Deinen Start in Deutschland in Erinnerung?
Tresoldi: Für mich war die Zeit am Anfang schon herausfordernd. Ich konnte die deutsche Sprache ja noch nicht sprechen. Dann bin ich auf die KGS Hemmingen gekommen, wo mir, wie auch in der 96-Akademie sehr geholfen wurde. Ich kam in eine Klasse mit Schülern aus verschiedensten Ländern, wo wir die deutsche Sprache mithilfe von englischen Grundkenntnissen erlernt haben. Neben dem Fußball habe ich zudem noch Tennis gespielt. Über die beiden Sportarten und über das schulische Umfeld habe ich dann auch schnell Anschluss und Freunde in Hannover gefunden.
Apropos Tennis: Auch dort hättest Du Richtung Profi gehen können. Du musstest Dich dann irgendwann zwischen Fußball und Tennis entscheiden. Wie schwer war das für Dich?
Tresoldi: Es war definitiv eine der schwersten Entscheidungen meines Lebens. Ich habe mir viel Zeit genommen, die Entscheidung zu treffen. Am Ende war Fußball dann die noch größere Herzensangelegenheit.
Wer waren Deine sportlichen Idole?
Tresoldi: Da ich AC-Milan-Fan bin, habe ich schon immer Filippo Inzaghi sehr bewundert. Er war auch Stürmer und hat bei Atalanta Bergamo sogar ein Jahr mit meinem Vater zusammengespielt. Beim Tennis steht Rafael Nadal ganz oben auf meiner Liste. Wie er sich seine Siege erkämpft, nie aufgibt und wie er mit Verletzungen umgeht, finde ich bemerkenswert. Von ihm kann man sich auch als Fußballer einiges abschauen.
Inzaghi war der klassische Mittelstürmer. Als welchen Stürmertyp würdest Du Dich beschreiben?
Tresoldi: An erster Stelle möchte ich ein Stürmer sein, der Tore schießt (lacht). Ich suche gerne die Abschlüsse, wenn es die Möglichkeit zulässt. In einen bestimmten Stürmertypus kann und will ich mich auch gar nicht einordnen.
Der Trainer lässt generell eine Doppelspitze im Angriff auflaufen. Mit wem spielst Du besonders gerne zusammen im Sturm?
Tresoldi: Ich komme mit allen gut klar. Jeder hat seine eigenen Stärken, ich spiele mit allen gerne zusammen.
Inzwischen stürmst Du auch für Deutschland. In der U19-Nationalmannschaft hast Du im Laufe der Hinrunde in vier Spielen zweimal getroffen. Du könntest allerdings jederzeit wechseln und für Italien spielen …
Tresoldi: Ich könnte prinzipiell auch für Argentinien spielen. Meine Mutter hat dort ihre Wurzeln. Natürlich weiß man im Fußball nie genau, was passiert. Das ist für mich jetzt aber kein Thema. Ich habe mich bewusst für Deutschland entschieden und bin auch stolz darauf, für Deutschland zu spielen.
Kommen wir mal auf das Trainingslager zu sprechen. Es ist ja schon Dein zweites mit den Profis. Wie gefällt es Dir bisher?
Tresoldi: Es läuft gut. Besonders das Testspiel gegen den FC Zürich war erfolgreich für mich.
Du hast ein Tor geschossen und das zweite vorbereitet.
Tresoldi: Das stimmt, aber ein Sieg wäre natürlich noch die Krönung gewesen.
Besonders Yannik Lührs hat sich sehr mit Dir über Deinen Treffer gefreut.
Tresoldi: Wir kennen uns schon länger, sind auch zusammen auf einem Zimmer hier in Belek. Wir freuen uns immer sehr für den jeweils anderen. Auch neben dem Platz verstehe ich mich mit Yannik gut.
Was macht Ihr beiden, wenn nicht gerade eine Trainingseinheit auf dem Plan steht?
Tresoldi: Ich ziehe Yannik und "Taddel" (Thaddäus Monju Momuluh, Anm. d. Red.) im Tischtennis ab (lacht). Da haben sie wenig Chancen. Wenn es dann um Videospiele geht, sieht es für mich wiederum eher schlecht aus.
Vielen Dank für das Gespräch!
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