Herr Schmedes, keinen anderen Sportdirektor eines Gegners würden wir die Frage zum Einstieg stellen, aber bei einen Ihnen als gebürtigen Hannoveraner ist es hoffentlich erlaubt: Waren Sie als Kind 96-Fan?
Benjamin Schmedes (34): Das ist ein Stück naturgemäß, wenn man in der Region aufgewachsen ist. Und es ist in der Tat so: Ich erinnere mich insbesondere an die Zeit in der Regionalliga Nord mit aufstrebenden Spielern wie Sebastian Kehl, Fabian Ernst, Gerald Asamoah und Otto Addo. Das war zwar von der Liga nicht so eine erfolgreiche Zeit, aber 96 hat fast jedes Spiel gewonnen. Damals war ich als 12-, 13-Jähriger regelmäßiger Stadionbesucher.
Sie sind in Hannover geboren, im Pattenser Ortsteil Koldingen aufgewachsen und haben in der Jugend und später in der zweiten Mannschaft bei 96 gespielt. Was verbindet Sie noch mit Hannover?
Schmedes: Das ist immer noch ein Stück weit die Heimat für mich, mein ganzes familiäres Umfeld lebt immer noch in und um Hannover, insofern verbindet mich eine ganze Menge mit der Region. Ich bin aber leider viel zu selten auf Heimatbesuch, meist nur auf der Durchreise, um ein Spiel zu schauen.
Ist das Spiel in Hannover gegen 96 für Sie am Sonntag dadurch ein besonderes?
Schmedes: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das ein ganz normales Spiel für mich ist. Hannover ist die Region, in der ich aufgewachsen bin, ich habe für 96 gespielt und als kleiner Junge meine ersten Spiele im damaligen Niedersachsenstadion geschaut – insofern ist es natürlich etwas Besonderes, dort am Sonntag auf der Bank zu sitzen.
Dann testen wir doch mal Ihr hannoversches Fußballwissen: In welcher Liga spielt der SV Ramlingen/Ehlershausen und auf welchem Platz steht er derzeit?
Schmedes: Ich glaube, sie spielen leider nicht mehr ganz so hoch. In der Landesliga, oder (das ist korrekt, d. Red.)? Aber wenn Sie mich jetzt nach dem Tabellenplatz fragen, dann ist das extrem unfair. Ich sage mal irgendwo zwischen Platz 1 und 18 (lacht).
Das ist auf jeden Fall richtig. Derzeit ist es der erste Tabellenplatz, der SV Ramlingen/Ehlershausen ist Favorit auf den Oberligaaufstieg. Haben Sie damals mit dem Burgdorfer Klub auch eines der regelmäßigen Testspiele gegen die 96-Profis bestritten?
Schmedes: Ja, es waren insgesamt zwei Spiele, die immer sehr torreich waren - zum Glück für uns auf beiden Seiten.
Haben Sie damals ein Tor gegen 96 geschossen?
Schmedes: Leider nicht, das war allerdings auch nicht meine Hauptaufgabe in Ramlingen, aber hätte ich natürlich trotzdem gerne ... Ich habe heute immer noch sporadisch Kontakt zum damaligen Trainer Kurt Becker, und Jürgen Stern, den damaligen und heutigen Klubchef in Ramlingen, habe ich danach noch einmal bei einem Spiel getroffen.
Als Sie im Dezember 2017 in Osnabrück angefangen haben, war der VfL als 16. in der 3. Liga in Abstiegsnot und der 4. Liga näher als der 2. Liga. Hat Sie der Aufstieg in diesem Mai überrascht?
Schmedes: Dass es so schnell funktioniert hat, war zum einen eine sehr positive Überraschung, zum anderen aber auch Ausdruck außerordentlicher Leistung auf allen Ebenen. Der Plan war eigentlich mehrjährig ausgelegt. Wir wollten Strukturen schaffen, die uns befähigen, mittelfristig mal wieder in der 2. Liga anzuklopfen.
Sie gehören als 34-Jähriger mit Jan Schlaudraff zu den jüngsten Sportdirektoren im deutschen Profifußball. Spielt das Alter eine Rolle?
Schmedes: Mir haben die vielfältigen Erfahrungen sehr geholfen, die ich in unterschiedlichen Positionen beim Hamburger SV sammeln konnte. Man saugt vieles auf, baut sich ein Netzwerk im Profifußball auf – beides ist extrem wichtig. Das Alter spielt für mich dabei eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist doch zu wissen, wie das Fußballgeschäft funktioniert, und die Qualität der Arbeit. Es gibt Menschen mit höherem Lebensalter aber weniger Erfahrung und gleichzeitig sehr erfolgreiche Bundesliga-Trainer, die jünger sind als ich. Das Alter ist also relativ.
Nach acht Jahren in der 3. Liga ist Osnabrück wieder ein Zweitligastandort. Ist aufzusteigen leichter als drinzubleiben?
Schmedes: Der Aufstieg ist uns bereits gelungen, der Klassenerhalt ist unsere aktuelle Herausforderung. Wir sind in der Liga angekommen und arbeiten täglich sehr hart für unsere Ziele. Ich bin davon überzeugt, dass wir diese erreichen können, und dann kann ich auch einschätzen, ob ein Aufstieg oder ein Klassenerhalt die größere Herausforderung ist.
96-Trainer Mirko Slomka hat in der Pressekonferenz die tolle Atmosphäre an der Bremer Brücke in Osnabrück gelobt. Freut Sie das?
Schmedes: Natürlich. Es hat noch viel Fußballromantik in Osnabrück. Das ist aber Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite genießen wir diese ehrlichen und authentischen Rahmenbedingungen, die es nur noch selten in dieser Reinform im Fußball gibt. Auf der anderen Seite setzen uns genau diese Bedingungen die eine oder andere natürliche Grenze. Es ist deshalb für uns ein nicht ganz einfacher Spagat. Gemessen an unseren strukturellen und personellen Möglichkeiten müssten wir eher als durchschnittlicher Drittligist angesehen werden. Nach dem sportlichen Erfolg im letzten Jahr arbeiten wir nun daran, nachhaltige Strukturen aufzubauen, um perspektivisch ein echter Zweitligist zu sein und diese Liga zu unserer Heimat zu machen.
Was können wir für ein Spiel am Sonntag erwarten vom VfL Osnabrück?
Schmedes: Die Favoritenrolle ist recht deutlich definiert, wenn ein Erstligaabsteiger auf einen Zweitligaaufsteiger trifft. Nichtsdestotrotz haben wir uns in den vergangenen Jahren immer als sehr unangenehmer Gegner präsentiert – angefangen damit, unser eigenes Tor über einen mittlerweile herausragend langen Zeitraum sehr gut zu verteidigen. Das werden wir auch Sonntag versuchen, uns dabei aber keinesfalls verstecken. Wir wissen, dass das Spiel ein bisschen David gegen Goliath gleicht, aber es ist auch ein Fußballspiel elf gegen elf.
hr