Peter, wie sieht ein typischer Arbeitstag für Dich in der 96-Akademie aus?
Peter Wellbrock (38): Meine Tage gestalten sich individuell, da die Aufgaben und Inhalte sehr unterschiedlich und flexibel sind. Vereinfacht kann man sagen, dass der Vormittag eher mit Konzeption, Planung, Spielanalyse, Sitzungen, Trainergesprächen und Coachings mit Kollegen gefüllt ist. Nachmittags kommen dann in der Regel die Coachings mit den Spielern, die Arbeit mit den Teams und das Training. Gleichzeitig bin ich immer mal wieder im Kraftraum bzw. bei den Reha-Spielern und besuche oft das Internat. Basis für die Zusammenarbeit ist, dass die Spieler mich oft sehen und kennenlernen. Nur so kann ein dauerhaftes und vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut werden.
Du bist nah dran an den kommenden 96-Profis, warum liegt der Fokus ausgerechnet auf der U16 und U17?
Wellbrock: In diesem Alter beginnt in der 96-Akademie der Leistungsbereich. Hier bin ich täglich auf dem Trainingsplatz und begleite die Jahrgänge sehr nah über einen Zeitraum von zwei Jahren. Das stärkt die Bindung so sehr, dass die Spieler auch in der U19 und U23 den Kontakt suchen und wir Coachings durchführen.
Wie bist Du eigentlich Sportpsychologe geworden?
Wellbrock: Schon in meiner eigenen Sportlerlaufbahn als Volleyballspieler habe ich vor allem zum Ende der Karriere gemerkt, dass mir ein Sportpsychologe sicher geholfen hätte, noch mehr aus mir herauszuholen. Nach meinem Studium der Sportwissenschaften & Psychologie an der Universität Frankfurt habe ich noch gezielt Sportpsychologie studiert. Seit 2014 betreue ich Sportler im Hochleistungssport (Moderner Fünfkampf, Dressurreiten, Tennis, Basketball, Rennrad, Eiskunstlauf, Schwimmen und Fußball). 2016 habe ich dann in der 96-Akademie die Nachfolge von Frauke Wilhelm angetreten. Aktuell absolviere ich die Ausbildung zum "Systemischen Therapeuten". So kann ich zukünftig die Zusammenhänge im System, in welchem sich die Jungs bewegen, noch besser verstehend und mit den Spielern individuelle Lösungen erarbeiten.
Du bist immer eng an der Mannschaft, bei Spielen, aber auch beim Training...
Wellbrock: Ich bin bei jeder Trainingsvorbesprechung dabei, stehe beim Training mit auf dem Platz. Dabei agiere ich als Beobachter und achte darauf, wie die Jungs miteinander umgehen, angefangen bei der Körpersprache über die Kommunikation etc. Einige Übungen leite ich auch selbst in Absprache mit den Cheftrainern Christian Schulz und Clemens Döring an. Durch diese persönliche Präsenz während der Trainings, Spiele und in den Coachings stehe ich den Spielern stets als Ansprechpartner zur Verfügung.
Nachgehakt: Dabei bildet Vertrauen die Basis Deiner Arbeit, oder?
Wellbrock: Das ist richtig. Alles, was im persönlichen Gespräch besprochen wird, bleibt vertraulich. In den Coachings geht es um die Sichtweise der Spieler und wie sie am besten mit den Situationen und Herausforderungen umgehen. Meine Aufgabe dabei ist es, wertfrei zu unterstützen und einen Rahmen zu gewährleisten, in dem sie ihre Lösungen finden können. Ich bin kein Trainer und treffe auch keine Entscheidungen für andere, sondern helfe anderen dabei, Entscheidungen für sich selbst zu treffen.
Wie gehst Du mit schlechten Nachrichten um?
Wellbrock: Schlechte Nachrichten werden von mir genauso mit den Spielern besprochen wie gute. Wir beleuchten ohnehin jede Option. Wichtig ist, dass dies, insbesondere bei schlechten Nachrichten, in einem psychologisch sicheren Raum geschieht.
Du bist aber nicht nur für die Spieler da, sondern auch für Trainer und Mitarbeiter. Gibt es da Unterschiede zur Arbeit mit den deutlich jüngeren Spielern?
Wellbrock: Während die Spieler Jugendliche oder junge Erwachsene sind, habe ich es im Kollegium meist mit ungefähr Gleichaltrigen zu tun. Das ist natürlich ein großer Unterschied. Gleichzeitig sind die Inhalte auch unterschiedlich. Ich unterstütze jeden dabei, seinen Job bestmöglich umsetzen zu können. Das wiederum ist Teil meiner Arbeit hier. Jeder Job hat andere Anforderungsprofile. Es geht auch darum, das Kollegium zu sensibilisieren, auf den Menschen hinter dem Spieler zu gucken. Trainerteams dienen auch als Multiplikatoren und sind daher sehr wichtig im Binnenverhältnis der 96-Akademie.
Im Gespräch merkt man Dir die Begeisterung und Leidenschaft für Deinen Beruf an. Was gefällt Dir ganz besonders an Deiner Arbeit?
Wellbrock: (überlegt kurz) Menschen in ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen zu dürfen, ist meine Leidenschaft. Wenn ich nach den Coachings erlebe, wie sie ihre Herausforderungen meistern, dann ist das sehr erfüllend und vielleicht das, was mir an meinem Beruf am meisten Spaß macht. Im Idealfall können die Spieler für sich sagen: 'Das hat mir nicht nur bei meinem Sport weitergeholfen, sondern im Leben generell'. Wenn die Spieler mental gesund und fit sind und als Menschen mit einer starken und stabilen Persönlichkeit die Akademie verlassen, dann habe ich meine Aufgabe gut erfüllt. Gleichzeitig muss einem bewusst sein, das man nur ein Teil des Systems ist und es viele Einflussfaktoren für die Spieler gibt. Ich bin ein Zahnrad in einem gut geölten System auf dem 96-Weg in der Akademie.
Du kümmerst Dich um andere, verbesserst sie mit Deinen Methoden. Wie verbesserst Du Dich selbst und bildest Dich fort in einem noch relativ jungen Spezialgebiet der Psychologie?
Wellbrock: Gute Frage! Zunächst kommt mir natürlich zugute, dass die Sportpsychologie inzwischen eine international anerkannte Studienrichtung ist und es in Deutschland an den Universitäten eigene Fachbereiche gibt. Auch die Fachliteratur verfolge ich natürlich regelmäßig, um auf dem Laufenden zu bleiben. Daneben ist aber auch der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen an den anderen LZ-Standorten für mich wichtig. An den regelmäßigen DFB-Tagungen nehmen 70 bis 80 Sportpsychologen aus ganz Deutschland teil. Die Qualität der Arbeit wird auch durch die regelmäßige Intervision mit Kollegen aus dem Fußball und außerhalb gewährleistet. Zusätzlich absolviere ich, wie oben bereits erwähnt, aktuell eine Ausbildung zum "Systemischen Therapeuten". Das alles in Kombination mit den regelmäßigen Gesprächen in der 96-Akademie mit Trainern und Leitung bildet den festen Rahmen, in dem ich gut arbeiten kann.
Seit wann gibt es eigentlich in den Leistungszentren in Deutschland festangestellte Sportpsychologen?
Wellbrock: Inzwischen sind Sportpsycholgen in den LZs in Deutschland fest vorgeschrieben von der DFL. Mentale Gesundheit ist nicht erst seit dem dramatischen Suizid von Robert Enke ein wichtiges Thema. Auch einige 96-Profis arbeiten im Sinne der eigenen Leistungsverbesserung mit Mentaltrainern zusammen, zuletzt Enzo Leopold (Mehr dazu erfahrt Ihr hier). Dennoch ist die Akzeptanz in Deutschland eine ganz andere als beispielsweise in den USA. Leider ist Hierzulande die Sportpsychologie noch viel zu oft negativ behaftet. Natürlich sind wir Sportpsychologen ein essentieller Bestandteil, um die mentale Gesundheit zu fördern und auch bei Krisen, Problemen, und psychischen Problemen zu helfen und weiterzuvermittleln. Gleichzeitig sind wir aber auch Entwickler und Leistungsförderer. Es muss also nicht zwangsläufig ein Problem bestehen, um mit mir als Sportpsychologen arbeiten zu können. Im Gegenteil, im besten Fall arbeitet man schon vor einer Krise zusammen. Dabei ist eine sportpsychologische Betreuung so normal und notwendig für die Entwicklung eines Leistungssportlers wie Ausdauer- oder Athletiktraining. Bei uns in der 96-Akademie ist es ein ganz normaler und fester Teil der täglichen Ausbildung und ein Baustein auf dem 96-Weg, um Kinder und Jugendliche an den Profifußball bei Hannover 96 heranzuführen.
Peter, vielen herzlichen Dank für diesen spannenden Einblick in Deine tägliche Arbeit mit dem Nachwuchs von Hannover 96. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg und Freude bei Deiner Aufgabe.