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Das große Doppel-Interview zum Rekordspiel

Beim Spiel in Paderborn wird Ron-Robert Zieler zum 329. Mal in einem Pflichtspiel das Trikot von Hannover 96 tragen. Er kommt damit auf ebenso viele Einsätze wie der große Hans Siemensmeyer – dann gibt es nur noch sechs Spieler, die jemals häufiger für unseren Klub aufgelaufen sind. Wir haben die beiden aus diesem Anlass zusammengebracht. Herausgekommen ist ein Doppel-Interview der besonderen Art und ein illustres Gespräch zweier echter 96-Legenden – auch wenn sie sich beide selbst nicht so bezeichnen würden …

/ Profis, Klub
Hans Siemensmeyer und Ron-Robert Zieler in der Heinz von Heiden Arena (Foto: 96/Redaktion)

Ron, was ist für Dich eine Legende?

Ron-Robert Zieler (34): Gute Frage. Im Fußballkontext sicherlich jemand, der sportlich herausragend gute Leistungen gebracht hat, der auch außerhalb des Platzes die Leute mitnimmt, der für gewisse Werte steht und der eine gewisse Identifikation hat. Ich würde das aber nicht für mich selbst reklamieren. Das Wort Legende ist schon ein großer Begriff.

Was bedeutet es Dir, jetzt bald so viele Spiele gemacht zu haben wie so ein herausragender 96er wie Hans Siemensmeyer?

Zieler: Wenn man über die großen ehemaligen Spieler von Hannover 96 spricht, ist der Name Siemensmeyer immer dabei. Das sagt schon sehr vieles über ihn und seine Bedeutung für den Klub aus. Vor ein paar Wochen habe ich Altin Lala in dieser Liste überholt, jetzt folgt Hans Siemensmeyer. Allein deswegen ist diese Zahl schon etwas Besonderes. Aber …

Ja?

Zieler:
Trotzdem würde ich nicht auf die Idee kommen, mich mit Hans Siemensmeyer auf eine Stufe zu stellen. Er hat all seine Spiele in der Bundesliga absolviert, ist in der 1. Liga Rekord-Torschütze des Vereins und einer der besten Spieler, die je für 96 gespielt haben. Wenn wir schon über den Begriff Legende sprechen: Hans Siemensmeyer ist für mich eine.

Hans Siemensmeyer (83): Ich sage es mal so … (schmunzelt) Legenden leben eigentlich nicht mehr. Ob es eine lebende Legende gibt, weiß ich nicht. Ich selbst fühle mich jedenfalls nicht als Legende.

Bester Laune: Hans Siemensmeyer und Ron-Robert Zieler beim Interview (Foto: 96/Redaktion)

Nein?

Siemensmeyer:
Nein, ich fühle mich als ehemaliger Spieler von Hannover 96, der sehr viel für den Klub getan hat und sicherlich auch selbst einiges erreicht hat. Aber dabei würde ich es belassen.

Trotzdem: 329 Pflichtspiele für einen Klub, nämlich Hannover 96, Herr Siemensmeyer, das ist Ihre Marke. Diese sensationelle Anzahl erreicht nun Ron-Robert Zieler …

Siemensmeyer:
Erstmal ist das eine tolle Zahl. 329 Spiele zu absolvieren, bedeutet auch, dass man dementsprechend gelebt hat, dass man verletzungsfrei geblieben ist und dass man auch trainiert wie so ein Verrückter. Das sind die Gründe, weswegen man so viele Spiele überhaupt erst erreichen kann. Und ein Aspekt ist ganz wichtig …

329-mal im 96-Trikot: In Paderborn wartet ein besonderes Spiel auf Ron-Robert Zieler. (Foto: Martin Ewert)

Welcher?

Siemensmeyer:
Es zeugt von einer außergewöhnlichen Vereinstreue, denn, wenn einer 329 Spiele macht, muss er dann mindestens neun, zehn Jahre im Verein gewesen sein. Wie lange bist Du jetzt hier, Ron?

Zieler: Das ist meine zehnte Saison.

Siemensmeyer: Ich war auch neun Jahre da. Selbst drei, vier oder fünf Saisons sind heutzutage ja schon eher eine lange Zeit, und trotzdem kann man diese Zahl dann nicht ansatzweise erreichen. Das ist ein Zeichen von besonderer Vereinstreue und dass man sich in Stadt und Verein wohlfühlt. Und man muss ja auch sagen: Die Mannschaft ist intakt. Wir haben einen Trainer, der zur Mannschaft passt und gute Arbeit leistet. Das sind alles Aspekte, die dazu beitragen, dass man sich wohlfühlt. Wirst Du Deinen Lebensabend hier in Hannover verbringen, Ron?

Zieler: Das ist absolut geplant.

Siemensmeyer: So war es bei mir auch. Ich hatte nicht von Anfang an vor, ewig bei Hannover 96 zu bleiben, aber jetzt bin ich seit 58 Jahren hier. Wenn ich öfter gewechselt wäre, hätte ich vielleicht mehr Geld verdient. (lacht)

Meinen Sie, Sie hätten dadurch ein glücklicheres Leben gehabt?

Siemensmeyer:
Nein, um Gottes Willen. Ich habe mich ja hier wohlgefühlt. Die Stadt hat mir gefallen. Das ganze Umfeld von Hannover 96 hat mir gefallen und deshalb bin ich auch hiergeblieben.

Wie war das bei Dir, Ron: Hättest Du Dir zum Start erträumen können, dass Du nun hier sitzt und diese herausragend vielen Einsätze hast?

Zieler:
Ich bin ganz ehrlich: im Leben nicht. Ich bin damals von Manchester als junger Spieler zu Hannover 96 gewechselt und mein Ziel war: Ich möchte ein Bundesliga-Spiel machen. Es ist also schon ein Traum wahr geworden, überhaupt Bundesliga spielen zu dürfen – und alles andere hat sich dann einfach so ergeben. Also um die Antwort abzukürzen: Nein. (lacht)

Hier sitzen nicht nur zwei 96-Rekordspieler, sondern auch zwei Kapitäne von Hannover 96. Was macht einen guten Kapitän aus?

Zieler:
Das Wichtigste als Kapitän ist: Man sollte seine Leistung bringen – und darüber hinaus einfach gewisse Werte vorleben. Das versuche ich, zu tun. Und in meinem Fall kann ich außerdem sagen, dass ich einen hervorragenden Mannschaftsrat habe und wir uns gut miteinander ergänzen.

Werte vorleben, mit Leistung vorangehen – das war früher sicherlich genauso. Was hat sich heutzutage verändert?

Siemensmeyer:
Heute kommunizieren der Trainer und der Mannschaftsführer wahrscheinlich öfter als zu unserer Zeit. Der einzige Trainer, der mit mir über die Mannschaftsaufstellung geredet hat, war Horst Buhtz (96-Trainer von 1966 bis 1968, Anm. d. Red). Ansonsten kann ich mich nicht daran erinnern, dass irgendein Trainer mit mir groß geredet hat. Der Mannschaftsführer war jemand, der hat die Binde am Arm getragen, dem Schiedsrichter die Hand gegeben und das war es.

Zieler: Das ist wirklich ein interessanter Punkt. Das letzte Wort hat natürlich immer der Trainer. Ich glaube schon, dass die Trainer heutzutage versuchen, die Mannschaft ein Stück weit einzubeziehen, und erster Ansprechpartner ist dann meistens der Kapitän.

Schauen wir in der Historie dieser vielen Spiele ein wenig zurück. Herr Siemensmeyer, Sie haben das "Wunder von Wuppertal", den sensationellen Klassenerhalt 1973 mit dem 4:0-Sieg beim Wuppertaler SV, als Ihr bedeutsamstes Spiel auf Klubebene benannt. Bleiben Sie dabei?

Siemensmeyer:
Ja, das bleibe ich. Mein persönlich größtes Erlebnis war zusätzlich die Berufung in die Nationalmannschaft für mein erstes Länderspiel gegen Frankreich, wo ich beim 5:1 zwei Tore geschossen habe.

Beim "Wunder von Wuppertal": Hans Siemensmeyer (l.) mit Eckhard Deterding (Mitte) und Jürgen Bandura, der verletzt zuschauen musste (Foto: IMAGO/WEREK)

Ron, was war Dein wichtigstes Spiel auf Klubebene?

Zieler:
Das Spiel, mit dem das ganze Märchen um Europa gestartet ist - also Sevilla (Europa-League-Playoff 2011, Anm. d. Red). Das hat uns dieses Märchen, diese wunderschönen zwei Jahre beschert.

Zurück zur Gegenwart: Herr Siemensmeyer, wie verfolgen Sie aktuell Hannover 96?

Siemensmeyer:
Ich schaue fast alle Spiele mit meinen Freunden im Fernsehen. Wir haben auch schon mal gesagt: Nächste Woche gucken wir nicht mehr, weil die Mannschaft so schlecht gespielt hat, dass wir uns die Spiele nicht mehr angucken konnten. Aber das war in der Vergangenheit.

Und heute?

Siemensmeyer:
In dieser Saison sieht das ganz anders aus. Herr Leitl hat sein Gerüst gefunden. Die Mannschaft ist erfolgreich, man sieht, dass sie laufen, dass sie kämpfen, dass sie rennen und dass sie auch Fußball spielen können. Und eines muss ich sagen: Dass Marcel Halstenberg verpflichtet wurde, das war wie ein Lottogewinn. Denn er ist ein Spieler, der nicht nur hinten die Mannschaft zusammenhält und kaum Fehler macht im Abwehrbereich, sondern der auch spieleröffnende Pässe spielt, die sensationell sind.

Sie sind mit 72 Toren immer noch der erfolgreichste 96-Torschütze aller Zeiten in der Bundesliga. Was sagen Sie zu Nicolo Tresoldi, einem Torjäger aus der eigenen 96-Akademie?

Siemensmeyer: Der Trainer baut ihn langsam auf. Ich glaube, wir werden noch viel Spaß mit ihm haben. Ich finde es unheimlich gut, dass man auch auf den eigenen Nachwuchs setzt. Das ist genau das richtige Rezept. Die Voraussetzungen dafür sind mit der 96-Akademie und dem Eilenriedestadion auf jeden Fall geschaffen. Aber …

Ja?

Siemensmeyer:
In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Jugendspieler von anderen Vereinen abgeworben worden sind. Das darf nicht sein.

Zieler: Ich glaube, inzwischen hat sich aber herumgesprochen, dass sie hier eine echte Chance erhalten. Die letzten Jahre haben es ja gezeigt, dass immer mal wieder Spieler durchbrechen können, dass die Tür offen ist. Den Schritt hindurch müssen sie dann natürlich selber gehen. Aber ich glaube, dass wir in unserer Akademie von den Trainern her sehr gut aufgestellt sind. Nachwuchsspieler bekommen ja auch regelmäßig die Chance, bei uns mitzutrainieren oder sich in den Testspielen zu zeigen.

Blicken wir zum Abschluss noch einmal voraus: Ron, welche Ziele hast Du denn noch? Eddy Bandura wäre mit 353 Spielen der nächste in der Rangliste.

Zieler: Es ist nicht unmöglich. Ich habe richtig Spaß und fühle mich fit. Ich glaube schon, dass ich noch ein paar gute Jahre in mir habe, in der Hoffnung, dass ich verletzungsfrei bleibe. Ich habe vor ein paar Wochen, als ich Altin Lala eingeholt hatte, mal mit Jörg Sievers geschrieben, der fragte, ob ich noch vorhätte, ihn einzuholen. Das habe ich mir dann mal angeschaut – er steht bei fast 500 Einsätzen. Ich habe ihm geantwortet: "Da brauchst Du Dir erstmal keine Sorgen machen." Das ist nochmal eine andere Hausnummer.

Die beiden hatten sich viel zu erzählen. (Foto: 96/Redaktion)

Nun holt Ron erst einmal Sie ein, Herr Siemensmeyer. Ist das eigentlich für Sie okay?

Siemensmeyer:
Für mich ist das okay. Er hat all diese Spiele absolviert, ist immer fit geblieben ist, und wenn er nicht gut gehalten hätte, dann hätte er diese vielen Spiele auch nicht gemacht.

Was wollen Sie Ron-Robert Zieler mit auf den Weg geben?

Siemensmeyer:
Er soll weiter sachlich bleiben, gut halten, trotz seiner 34 Jahre weiter an sich arbeiten, und gesund bleiben. Allem voran Gesundheit wünsche ich. Alles andere kommt von selber.

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