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Lutz Jagelle macht die 1000 voll: Beim letzten Spiel in der Gruppe B der Europa League zwischen Hannover 96 und Vorskla Poltava feiert der 48-Jährige sein ganz eigenes Jubiläum.

/ Fans

 

In 38 Jahren...
248, 448, 576, 607: viele 96-Fans kommen bei diesen Zahlen ins Grübeln – Lutz Jagelle nicht. Der 48-Jährige erinnert sich noch ganz genau an die Ereignisse, die er mit diesen Ziffern verbindet. Es waren bedeutende 96-Begegnungen, nicht nur für den Verein, sondern auch für den jahrzehntelangen Fan der Roten, der am heutigen Donnerstag beim Europa League-Spiel gegen Vorskla Poltawa sein 1000. Spiel seines Lieblingsvereins verfolgt. Damit ist Jagelle, der mit seiner Frau und seiner zwölfjährigen Tochter in Lehrte lebt, einer seiner Art, von denen sich ein Fußballverein nicht genug wünschen kann: Ein Fan von Kindesbeinen an. Von Klein auf kann er sich nichts Schöneres vorstellen, als eine Begegnung seiner Roten zu sehen. Seine außerordentliche Serie begann mit losen Besuchen von 96-Spielen in den Siebzigern, seit der Spielzeit 1981/82 besitzt er eine Dauerkarte. Zunächst im Block M44/45, dann im Block A3 des  Niedersachsenstadions bis hin zu Block 12, Reihe 10, Sitz 12 in der heutigen AWD-Arena – Lutz Jagelle war und ist stets dabei – deutschlandweit, aber auch europaweit. Das Besondere an der Serie: Der 48-Jährige hat in vier Ordnern alle Eintrittskarten der Spiele aufbewahrt, die er besucht hat. Da tummeln sich Papier-Dauerkarten, an denen die einzelnen Spiele noch per Hand abknipst wurden, neben modernen Plastik-Nachfolgern. Auch das erste Papierticket hat der 48-Jährige noch aufgehoben. Der Eintritt für die Zweitliga-Partie der Roten gegen dem SV Erkenschwick kostete ganze 2,50 Mark, das Spiel endete 7:1 für 96. Akribisch sind die Partien zudem in einer DIN A4-Mappe festgehalten, mit Datum, Torschützen, Endstand und anderen Notizen zur Begegnung. Seine Begeisterung für die Roten wird auch auf dem Papier deutlich.


Die Eintrittskarte der Begegnung Hannover 96 gegen den SV Erkenschwick eröffnet Lutz Jagelles außergewöhnliche Sammlung.

...von 0 auf 1000...
Seine Leidenschaft für 96 begann zunächst, wie sie auch noch heute bei vielen ihren Lauf nimmt – Jagelles bekam im Laufe der Zeit eine Eigendynamik – mit zählbaren Folgen. Sein Vater nahm den damals Neunjährigen mit ins Niedersachsenstadion. Seine erste Begegnung der 96er verfolgte der Steppke am 31. März 1973 gegen den VfL Bochum – Endergebnis 1:1. Klein-Lutz sah zwar an jenem Tag keinen Sieg, war dennoch so fasziniert vom Spiel und der Atmosphäre, dass er fortan ständiger Begleiter seines Vaters wurde. Und so verfolgte Jagelle Spiel für Spiel seines Clubs, bis dem auch beruflich  mit Zahlen beschäftigten Anhänger auffiel: Bei 50 Lebensjahren und 20 Spielen pro Saison, ist er irgendwann einmal bei 1000 Duellen. "Dass dieses Jubiläum noch vor meinem runden Geburtstag stattfinden würde, damit habe ich nicht gerechnet", stellt Jagelle fest.

...und dabei ganz nah dran...
Auch, dass ihn später einmal eine enge Freundschaft mit einem 96-Spieler verbindet, daran hat er wohl in seinen kühnsten Träumen nicht gedacht. Kommissar Zufall half dabei mit. Jagelle wollte sich einen neuen Wagen zulegen, auf der anderen Seite der Leitung hielt ausgerechnet Jochen Heisig den Hörer in der Hand. Der langjährige Fan Jagelle wurde stutzig, fragte gleich nach, ob sein Gesprächspartner denn tatsächlich der Stürmer sei, der für Hannover 96 von 1989 bis 1993 aktiv war. Uns so trafen sich Spieler und treuer Anhänger auf dem Parkplatz eines hannoverschen Autohauses und feilschten um den Kaufpreis. Die beiden wurden sich zunächst um 50 Mark nicht einig, Jagelle gab nach, schlug aber im Gegenzug ein gemeinsames Essen der beiden samt Ehefrauen heraus. Seitdem sind die Familien eng befreundet, besuchen sich gegenseitig, sowie es die Zeit zulässt. Heisig wohnt heute in Neckarsulm.


Das passt immer! Auch unter dem Skianzug trug Lutz Jagelle in den 90er Jahren ein 96-Trikot.

...bei bedeutenden Siegen und bitteren Niederlagen...

Doch zurück zu den Zahlen 248, 448, 576, 607. Hinter der 248 verbirgt sich die Begegnung Hannover 96 gegen Hertha BSC am 9. Juni 1985, in der "Biskups Rasselbande" mit einem 2:0-Sieg über die Berliner den Aufstieg in die 1. Bundesliga endgültig perfekt machte. Eines von wenigen Spielen, die Jagelle unter den 999 Partien zu den Highlights zählt. Dazu gehört auch Nummer 448 – der Sieg im Elfmeterschießen des Pokalfinales am 23. Mai 1992 gegen Borussia Mönchengladbach. Auch bei der Begegnung Nummer 3 mit der Nummer 576 erinnert sich Jagelle  - allerdings mit gemischten Gefühlen. Die Roten und Energie Cottbus kämpfen um den Aufstieg – wer gewinnt, spielt in der kommenden Spielzeit in der 2. Bundesliga, selbst ein 1:1-Unentschieden hätte gereicht, um den Schritt in die zweithöchste Spielklasse zu schaffen. Es wurde jedoch ein unerfreulicher Tag für Jagelle und seine Begleiter. Schon auf der Hinfahrt hadert die Truppe mit einer Reifenpanne, aber es sollte im Laufe des Abends noch dicker kommen. Zwischenzeitlich steht es 1:1, da fällt in der 61. Minute die Flutlichtanlage für zehn Minuten aus, nach Wiederanpfiff geraten die Roten ins Straucheln und vergeben den bereits sicher geglaubten Aufstieg noch mit einer 1:3-Niederlage – der Traum war geplatzt. "Erst die bittere Niederlage, dann gab es auch noch Ärger mit der Polizei", erinnert sich der 48-Jährige an ein brutales Ende in zweierlei Hinsicht – Aufstieg verpasst und Auseinandersetzungen der Fans mit den Gesetzeshütern. Nummer 607 war wieder ein Knüller: Hannover 96 besiegte am 24. Mai 1998 TeBe Berlin mit 2:0 und stieg in die 2. Bundesliga auf.

...und auch europäisch unterwegs...
Doch weder bittere Niederlagen noch gewaltgeladene Stimmung oder Krankheit konnten den 96-Fan vom Besuch seiner Lieblingsmannschaft abhalten. Und so hat der Lehrter seit dem 15. August 1999 kein Heimspiel der Roten mehr versäumt – und das aus einem sportlichen Grund. "Da war ich einmal nicht bei den Roten, sondern beim Formel 1-Rennen in Budapest", denkt der 48-Jährige zurück. Jagelle entging an jenem zweiten Spieltag der Saison 1999/2000 eine 2:3-Niederlage gegen TeBe Berlin. Diese Begebenheit sollte aber eine Ausnahme bleiben, ansonsten unterstützt Jagelle sein Team wo und wann er nur kann. "Seit 1984 fehlen mir nur zwei Begegnungen", erzählt er. Und das soll auch so bleiben. "Solange wie es geht, werde ich ins Stadion gehen", sagt der treue Fan. Dabei könnte eines Tages sogar seine Traum noch Wahrheit werden, etablieren sich seine Roten auch in den kommenden Jahren im europäischen Geschäft: Einmal gegen den großen FC Liverpool an der Anfield Road spielen.


Getreu dem Motto"Wir sind immer bei Dir, 96 - HSV": Lutz Jagelle, Torsten Meyer und Holger John (v.l.) beim Europa League-Auswärtsspiel gegen den FC Sevilla.

...wenn 96 international zum Höhenflug ansetzt...

Und so sitzt Jagelle auch heute spätestens um 19.00 Uhr wieder in Block 12, Reihe 10, Platz 12 und feiert sein ganz eigenes Jubiläum: Sein 1000. Live-Spiel der Roten. Der Dauerkarteninhaber ist optimistisch und tippt auf einen 2:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Vorskla Poltava, Torschützen Abdellaoue und Pinto. Doch egal, wie das deutsch-ukrainische Match ausgeht: Hannover 96 ist in der Europa League mit dem zweiten Platz in der Gruppe B bereits für die nächste internationale Runde qualifiziert. Und damit die Roten in Europa weiterhin vertreten bleiben, hofft Jagelle bei der Auslosung auf einen möglichst "machbaren Gegner". Sollte der derzeitige Bundesliga-Achte jedoch das große Los ziehen, dann wünscht sich der Langzeit-Fan Manchester United. Wenn schon – denn schon…
nr

 

 

 

 

 

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