Der Weg zur Arbeit
Eine schwere Decke aus Morgentau und Nebel liegt auf Bäumen und Gräsern. Wie ein Zwinkern blitzt die Sonne zwischen den Wolken hindurch, kurz bevor sie zu einem neuen Tag aufgeht. Das Wasser der Leine plätschernd durch die Wiesen. Es wird ein warmer und sonniger Tag. Dieser Frieden wird durch ein lautes Rauschen unterbrochen. Reinhold Vogelsang auf seinem Mountainbike, mit Rucksack auf dem Rücken und in voller Montur, brettert durch das Leinetal. Unter seinem Helm fliegen die blonden Locken im Fahrtwind. Für Vogelsang ist es der allmorgendliche Weg zur Arbeit - von Laatzen aus durch die Leinemasch, am Maschsee entlang zur HDI Arena. Das gehört zu seiner Vorbereitung. Mindestens einmal im Jahr fährt, der aus eigener Überzeugung rückwärtsrechnende 42-jährige Bruce Springsteen Fan, Trekkingtouren durch die Alpen und erklimmt auf zwei Rädern die Berge. Die letzten Meter zum Gipfel müssen allerdings geschoben oder getragen werden.
"Allgemeinmediziner, mit Hang zur Sportmedizin"
Nach einer heißen Dusche in der Gästekabine und einer ersten Tasse frischen Kaffee beginnt sein Arbeitstag. Neben dem Erstellen von Vertragsentwürfen mit beispielsweise Dienstleistern und Vertragsprüfungen wird seine Struktur häufig durch plötzlich auftretende Rechtsfragen aus den Abteilungen unterbrochen – und zwar zu den unterschiedlichsten Rechtsgebieten: Gesellschaftsrecht, Aktienrecht, Markenrecht, Lizenzrecht, Arbeitsrecht oder öffentliches Recht. All diese Themen laufen bei Justiziar Vogelsang zusammen.
In sämtlichen Geschäftsbereichen ergeben sich Fragestellungen, manchmal auch zu ganz banalen Fragen, wie man zum Beispiel ein Preisausschreiben rechtlich sauber gestalten darf. "Wenn ich das mit anderen Berufsfeldern vergleiche, betrachte ich mich immer so als Allgemeinmediziner mit einem Hang zur Sportmedizin", verdeutlicht Vogelsang sein Aufgabengebiet. Auch die Revision obliegt seiner Verantwortung. Hierbei geht es nicht um eine "Unternehmenspolizei", vielmehr sollen durch eine unabhängige, losgelöste Abteilung Unternehmensprozesse untersucht und optimiert werden. Ebenso betreut Vogelsang die rechtlichen Angelegenheiten im Bereich Ticketenforcement, in dem Schwarzhandel unterbunden werden soll. Er ist auch als "Stadionverbotsbeauftragter" für Belange in diesem juristischen Kontext verantwortlich.
"Mich hat das Bild des Juristen fasziniert"
Vogelsang, aufgewachsen im ostfriesischen Pewsum, entschied sich früh, den Weg zum Juristen einzuschlagen. "Ursprünglich wollte ich eigentlich mal Lehrer werden. Aber dann habe ich meinen Zivildienst in einer Einrichtung für Behinderte und schwer erziehbare Jugendliche absolviert. Dort habe ich den pädagogischen Kontext mitbekommen und fand das durchaus spannend, allerdings habe ich festgestellt, dass das für mich auf Dauer nichts gewesen wäre", berichtet er – und erläutert dann: "Mich hatte dieses Bild des Juristen aber einfach immer schon fasziniert. So bin ich in die Richtung gegangen." Von zuhause aus war dieser Weg nicht unbedingt vorbestimmt. Weder seine Eltern, noch seine Großeltern, Tanten oder Onkel sind Juristen, nur sein ein Jahr älterer Bruder ist als Richter tätig.
Vogelsang schaute in juristischen Dingen immer schon gern über den Tellerrand des alltäglichen Anwaltsdaseins. Schon neben seinem Studium arbeitete er in der renommierten Kanzlei des ehemaligen niedersächsischen Justizministers Walther Remmers. In seiner weiteren Laufbahn war er mehrere Jahre für eine Schweizer CD-Firma im Bereich Marken- und Lizenzrecht tätig und beriet nebenher einen guten Freund, einen Profifußballer, in Vertragsangelegenheiten.
Einzelkämpfer nur auf dem Mountainbike
All seine Erfahrung zu den verschiedensten Rechtsfragen bringt er nun bei Hannover 96 ein. Auch an einem Montagmorgen kommt Vogelsang gerne zur Arbeit. "Das beseelt mich, weil es mir hier wirklich Freude bereitet. Gerade das Umfeld. Als Anwalt hat man es häufig nur mit Einzelkämpfern oder Gegnern zu tun, aber hier ist das durch den Sport anders. Dadurch herrscht einfach ein anderes Betriebsklima." Einzelkämpfer ist Vogelsang nur auf dem Mountainbike. Nach Feierabend setzt er sich wieder seinen Rucksack um und wirft sich in seine Fahrradkluft. Der Rückweg wird ausgebaut - da darf die Strecke auch gerne mal etwas länger sein. Schließlich ist es zum nächsten Urlaub in den Alpen nicht mehr lange hin…
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