Spiele gegen Platini und Lineker
Der letzte große Applaus blieb Roman Wojcicki verwehrt. Kein Abschied im Niedersachsenstadion, keine Blumen, nichts. Alles, was ihm die Verantwortlichen von Hannover 96 im Juni 1993 mit auf den Weg in die Fußballrente gaben, war ein Dankeschön, ausgesprochen in der Geschäftsstelle. "Das war wirklich traurig", sagt Wojcicki heute. "Ich war beliebt in Hannover und wollte mich richtig von den Fans verabschieden. So einen Abgang hatte ich nicht verdient." Nicht nach so einer Karriere.
An drei Weltmeisterschaften hatte er mit Polen teilgenommen und 1982 im Spiel um Platz drei die Franzosen geschlagen. Und auch auf Vereinsebene war er erfolgreich gewesen. Mit Widzew Lodz hatte Wojcicki den polnischen Pokal gewonnen und sogar mal das Halbfinale im Europapokal der Landesmeister erreicht. In jenen Jahren hatte er regelmäßig gegen die Größten seiner Zeit gespielt: Michel Platini, Gary Lineker, Paolo Rossi, Ian Rush, Socrates.
Wechsel von Homburg zu 96
Dennoch führte ihn sein Weg Ende der Achtzigerjahre in die zweite Liga und nach Hannover, wenn auch eher zufällig. Wojcicki war 1986 von Widzew Lodz zum FC 08 Homburg gewechselt. Doch nach dem Abstieg aus der Bundesliga und dem verpassten Wiederaufstieg im Jahr darauf ließ Wojcicki seinen Vertrag bei den Saarländern im Sommer 1989 auslaufen. Wojcicki wollte wieder in einer großen Liga spielen, und so ließ er seinen Berater nach einem neuen Klub für sich suchen. Doch der Berater blieb erfolglos - und Wojcicki bis in den August hinein arbeitslos. Dann flatterte ein Angebot aus Hannover ins Haus.
Die 96er waren gerade aus der Bundesliga abgestiegen, wollten aber unbedingt wieder nach oben - so wie Wojcicki. Das passt, dachte sich der 1,93 Meter große Verteidiger. Er unterschrieb einen Vertrag bei den Roten, "mit dem klaren Ziel, bald wieder in der ersten Liga zu spielen". Nach anfänglichen Schwierigkeiten - Wojcicki lebte die ersten vier Monate allein in einem Hotel in Hannover, weil er kein Haus für sich und seine Familie fand - fühlte sich der Vater von zwei Kindern bald ziemlich wohl in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Doch sportlich lief es alles andere als rund.
Pokalsieger 1992
96 verpasste Jahr für Jahr den Wiederaufstieg, mal mehr und mal weniger deutlich. "Uns fehlte einfach die nötige Qualität", sagt Wojcicki. Umso überraschender kam der Erfolg im DFB-Pokal 1992. "Das war unglaublich, einmalig", sagt Wojcicki, "wir haben damals Geschichte geschrieben." Im Finale gegen Borussia Mönchengladbach gewannen die Roten mit 4:3 nach Elfmeterschießen. Wojcicki stand die gesamten 120 Minuten auf dem Feld und verwandelte als zweiter 96-Schütze sicher.
Doch schon ein Jahr später, im Sommer 1993, fand der damalige 96-Trainer Eberhard Vogel keine Verwendung mehr für den Pokalhelden - und ließ den Vertrag mit dem damals 35-Jährigen auslaufen. "Ich habe das sehr bedauert", sagt Wojcicki, "ich hätte gerne noch für Hannover gespielt. Ich war noch fit, hatte viel Erfahrung."
Spielertrainer in Havelse
Wojcicki verließ 96, blieb aber in Hannover. Er wechselte zum TSV Havelse. Beim ambitionierten Oberligisten war er erst Spieler, dann Spielertrainer und schließlich, nach seinem Karriereende, nur noch Trainer. Wojcicki fand Gefallen am Job und begann 1995 eine Ausbildung zum Fußballlehrer an der Sporthochschule in Köln. Tag für Tag pendelte er zwischen Schulbank in Köln und Trainingsplatz in Havelse. Zwei Wochen lang. Dann bekam er einen Anruf von seiner Frau. Sie sagte: "In der Zeitung steht, dass du nicht mehr Trainer in Havelse bist." Wojcicki konnte es kaum glauben, rief beim TSV Havelse an - und erhielt die Bestätigung, dass er seinen Trainerposten los war.
Wojcicki machte seine Ausbildung dennoch zu Ende. Er wollte ja immer noch als Fußballtrainer arbeiten, am liebsten bei einem Bundesligisten. Zweimal bot er sich bei 96 als Trainer im Jugendbereich an, beide Male erhielt er eine Absage. "Danach hatte ich keine Lust mehr auf den Trainerjob", sagt er, "und ehrlich gesagt wollte ich mit meiner Familie auch nicht mehr umziehen." Die Wojcickis hatten in der Region Hannover längst ihr neues Zuhause gefunden.
Eigene Praxis gegründet
Wojcicki beschloss also, noch mal etwas ganz Neues zu wagen. Seine Frau Sylwia war bereits seit Jahren als Physiotherapeutin tätig gewesen, und so reifte in beiden der Gedanke, sich selbstständig zu machen. Roman Wojcicki ging noch einmal zur Schule, machte eine Ausbildung zum Physiotherapeuten, danach eröffneten sie eine Praxis in Hagen, einem Stadtteil von Neustadt am Rübenberge. Inzwischen ist auch der jüngere der beiden Söhne mit eingestiegen. "Wir haben also ein kleines Familienunternehmen", sagt Wojcicki, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag gefeiert hat. Ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht, dafür macht ihm die Arbeit in der Praxis einfach zu viel Spaß. "Es war damals genau die richtige Entscheidung", sagt er.
Dem Fußball ist Wojcicki in all den Jahren aber ebenfalls treugeblieben - trotz der Enttäuschungen zum Ende seiner aktiven Laufbahn. Wojcicki hat nach seinem Aus in Havelse diverse Amateurmannschaften in Hannover und der Region trainiert, unter anderem den SV Damla Genc, Werder Hannover und die A-Junioren des FC Wacker Neustadt. Außerdem ist er seit einigen Jahren Trainer in der 96-Fußballschule. Er ist mit dem Verein also längst wieder im Reinen.
hop