NIEMALSALLEIN

 

Dass da ja keine Missverständnisse aufkommen. Die hier gezeigten drei Spieler vom Fußball-Bundesligisten Hannover 96 – Valérien Ismaël, Jan Schlaudraff und Mikael Forssell – stehen nicht am Pranger, weil ihre Leistungen zu kritisieren sind. Sie stehen hier, weil sie ein für die „Roten“ neues Phänomen illustrieren: Prominenz als Problem.

Noch nie sind die Neuzugänge des Klubs im Voraus mit so viel Lob bedacht worden wie in den Transferkampagnen der beiden jüngsten Spielzeiten. Wer in Archiven der Zeitungen oder dem Internet stöbert, dem schwinden vor lauter Verweisen auf Kracher, Stars, Siegertypen und Leistungsträger-Achsen bald die Sinne. Im hannoverschen Kaufrausch sind auch berufsmäßige Fußballauskenner den Lockungen der Lobhudelei erlegen.

„Er hat das Sieger-Gen, das einem bei Topklubs eingeflößt wird“, sagte so zum Beispiel Mittelfeldmann Christian Schulz über den von der Unpässlichkeit in die Verletzungspause gerutschten Ismaël. Und 96-Sportdirektor Christian Hochstätter erhaschte mächtigen Applaus, als er sich einmal vorzeitig vom Treffen eines 96-Fanklubs mit den Worten verabschiedete: „Bitte um Verständnis, aber ich muss den nächsten Spieler mit Europa-Gen verpflichten“ – es ging um Mario Eggimann, damals noch beim Karlsruher SC. Man könnte jetzt noch tiefer in die Archive dringen und noch groteskere Zitate ausbuddeln. Etwa solche, die die Kluft zwischen Prognose und Praxis beim Kurzzeit-96er Benjamin Lauth oder dem Konzept „Nur noch junge, deutsche Spieler“ aufzeigen. Aber man muss gar nicht. Auch so ist das Fazit erlaubt: Die 96-Strategen haben den Mund voller genommen, als es ihnen heute lieb sein kann.

Aber heißt das, dass 96 von einer Reihe von Fehleinschätzern geführt wird? Natürlich nicht. Zwar gibt es eine frappierende Diskrepanz zwischen den vorausgeschickten Komplimenten und dem bisher Gezeigten. Aber in Wirklichkeit wissen alle, dass teure Einkäufe kein Erfolgsgarant sind. Man ist halt ein wenig unvorsichtig geworden, als man sich im Glanz der neuen Transfer-Herrlichkeit bei Hannover 96 abwechselnd gegenseitig und selbst auf die Schultern geklopft hat. „96 wird in der öffentlichen Wahrnehmung und bei Spielern, Beratern sowie Klubs inzwischen als deutlich professioneller eingeschätzt. Ich bin schon ganz zufrieden“, sagte etwa Martin Kind in der Phase, als Schlaudraff, Ismaël und Eggimann auf dem „roten“ Radar auftauchten. 96 ist wieder wer, so ließ sich damals feststellen. Und dann gilt ja schließlich auch noch die Devise: Klappern gehört zum Geschäft. Die positiven Auswirkungen von großen Namen und großen Worten auf den Dauerkartenverkauf sind nicht zu unterschätzen. 96 wartet zwar noch das Geschäft mit den Rückrundendauerkarten ab, ist aber grundsätzlich auf Rekordkurs.

Doch gibt es eben auch die Kehrseite. Bei Spielern und Klubvertretern ist zu hören, dass man sich unter zu großen Druck gesetzt habe. Auch Trainer Dieter Hecking selbst erkennt bei seinem nicht einzuhaltenden UEFA-Cup-Versprechen eine unheilvolle Nachwirkung, während der (Kauf-) Rausch erdiger Ernüchterung Platz gemacht hat – sie backen nun wieder richtig kleine Brötchen. Klubchef Kind vermisst in seinem wie nie zuvor aufgerüsteten Kader Charakter und lässt das unlängst feierlich beerdigte „40-Punkte-Denken“ als neuen Realismus auferstehen. Und außerdem soll die Saison mit dem aktuellen Kader zu Ende gespielt werden. Keine Notkäufe in der Winterpause – das heißt, dass zunächst einmal keine Stars überschätzt und in den Himmel gelobt werden können, bevor sie auf hannoverschem Rasen einmal gegen den Ball getreten haben.

Von Volker Wiedersheim

 

NEWSCENTER
RSS Feed
Fanartikel
Business
Arena
Datenschutz
Kontakt
Medien
Sitemap
Tickets
Navigation
Schließen